Annekäthi Huuser

Frau Annekäthi: «Das Heute zählt!»



Quelle: Wädenswiler Anzeiger 01-2017, Text + Bild Stefan Baumgartner

Frau Annekäthi mit Pfleger Gilbert sind seit einigen Jahren die Stars am Schnitzelbankfest. Die rüstige Dame und ihr umtriebiger Pfleger erzählten dem Wädenswiler Anzeiger, was sie sonst so das Jahr hindurch tun und lassen – ein reales Gespräch mit zwei fiktiven Personen.

Getroffen haben wir uns in der Vorfasnachtszeit in einer der Hochburgen – im Nöihüüsli. Auf den Vorschlag des Wädenswiler Anzeigers, sich im Kafi Frohmi zu treffen, ging die Rentnerin nicht ein. Sie würde gerne ins Dorf, wenn sie schon mal raus kann, liess sie mitteilen. Gesagt, getan. So verabredeten wir uns also im Nöihüüsli, wo Frau Annekäthi und Gilbert bereits auf den Redaktor warteten. Zuerst galt es, einige Hintergrundinformationen von der alten Dame zu erhalten, was sich aber als etwas schwierig erwies. Hier sprang Pfleger Gilbert ein und bewies somit, dass er mehr als nur pflegendes Fachpersonal für Frau Annekäthi ist. So erfahren wir, dass Frau Annekäthi in der Hinteren Chlopfbodenhöhe aufwuchs, einem etwas in Vergessenheit geratenen Weiler im Wädenswiler Berg. Ihren Mann lernte sie auf dem Chilbitanz im Restaurant Feld kennen und verheiratete sich bald darauf. Die Ehe war nicht besonders glücklich.

So beginnt das Gespräch mit der Frage an Pfleger Gilbert:

Wer ist Frau Annekäthi?

(Frau Annekäthi wirft «Pass ja auf, was Du sagst!» ein) Gilbert: «Frau Annekäthi ist die gute Seele. Die, die manchmal etwas übertreiben muss und auch immer noch – trotz ihres Alters – versucht, Grenzen auszuloten. Fast wie ein kleines Kind. Aber ein Sonnenschein.»

Geistig aber noch fit?
Gilbert: «Ja, auf jeden Fall! Der Körper ist nicht mehr gleich fit wie der Kopf. Sonst würde Frau Annekäthi wohl dauernd in die Kontaktbar rennen.»

Damen soll man nicht nach dem Alter fragen – aber man kann die Frage dem Pfleger stellen ...
Gilbert: «Ich habe mich noch nie gefragt, wie alt denn Frau Annekäthi genau ist. Sie ist aber sicher älter, als sie aussieht – aber bestimmt noch im zweistelligen Bereich – und nächstes Jahr feiern wir einen ‹Runden›!»

Frau Annekäthi: «Also die Hälfte von einem Runden, genaugenommen. Das heisst ich bin jetzt 84 oder 94.»
Folgefrage an Annekäthi: Die kürzlich verstorbene älteste Wädenswilerin wollte unbedingt nochmals eine Reise ins Tessin machen, vielleicht auch nochmals die Beiz besuchen, in der wir gerade sitzen. Was hat Frau Annekäthi noch auf Ihrer «Bucket-List», was will sie noch erleben?

Frau Annekäthi: «Erst kürzlich sagte ich zu Gilbert, dass ich gerne einmal eine Beiz fasnächtlich dekorieren würde. Und einen Tandemsprung aus dem Flugzeug würde ich auch gerne noch machen!»

Wo lebt Frau Annekäthi eigentlich?
Frau Annekäthi: «Das weiss Gilbert genauer. Ich weiss nur, dass ich jeweils den ‹Hoger hinauf› muss.» (Gilbert bestätigt dies, bemerkt auch, dass Frau Annekäthi so einen relativ kurzen Weg an die Fasnacht habe.) «Ausserdem ist meine Enkelin auch dort oben aufgewachsen. In der Rötihalde ging ich mit ihr zu den Schäfchen, die wollte sie immer streicheln. Gibt’s die Schafe dort oben eigentlich noch?»

Gilbert: «Erinnern Sie sich nicht mehr? Erst letzten Mittwoch waren wir dort bei den Schäfchen ...»

Was ist Frau Annkäthis Lebensweg, Wo kommt Sie her, was machte sie? (Sie beginnt von sich in der dritten Person zu sprechen) «Frau Annekäthi war eine sehr anständige Frau, auch Ehefrau und Mutter. Seit sie jedoch nicht mehr verheiratet ist, da begann sie das Leben auf ihre Art zu geniessen. Und irgendwann kam dann halt die Erkenntnis, dass es besser sei, sich in Gilberts Pflege zu geben.»

War das dann eine Zwangseinweisung?
Frau Annekäthi (diplomatisch): «Meine Familie meinte es gut mit mir ...»

Gilbert ergänzt: «Sie hat aber auch gute Pflege bei einem guten Pfleger bekommen!»

An Gilbert gerichtet, folgt die Frage, ob sich Frau Annekäthi gut in das Heimleben integriert hat.

Gilbert: «Sie sträubt sich schon noch etwas gegen die ewige tägliche Routine. Frau Annekäthi ist noch sehr junggeblieben, orientiert sich auch an der Jugend. Das Beschäftigungsangebot im Heim interessiert sie nicht gross. Sie will raus, «ins Dorf». Kommt dann manchmal auch mit einer prall gefüllten Einkaufstasche nach Hause, mit Inhalten, die eigentlich gegen die Hausregeln verstossen.

Frau Annekäthi ergänzt: «Mit Aquarellmalen oder Computerkursen für Senioren kann man mich nicht beschäftigen. Überhaupt: meine Enkelin hat mich da sehr gut instruiert. Ich habe ja sogar meinen eigenen Facebook-Account! Ich wäre eher an einem Computerkurs für Fortgeschrittene interessiert – aber den bietet die Heimleitung ja nicht an, weil sie vielleicht glaubt, dass wir sowieso nicht mehr allzulange hier sind.»

Gilbert insistiert: «Wir sind aber auch froh, dass Frau Annekäthi nicht alles postet, was sie den Tag durch so alles erlebt...». Frau Annekäthi: «Also wenn es eine Hip-Hop-Tanzgruppe gäbe im Heim, wäre ich da schon mit dabei!»

Ihren Tagesablauf erklärt die Pensionärin wie folgt: «Ich gehe viel lieber unter die Leute, eben, moderne Sachen machen. Ich wollte ja auch noch in die Feuerwehr, oder mich zur Wahl stellen. Da musste ich mich ja um die ganzen Sachen kümmern. Da bin ich aber auch froh um die Hilfe meiner Enkelin. Für diese Wahl musste ich mich aber auch für andere Leuten interessieren, schauen, wo der Schuh drückt. Das geht nicht im Bastelkurs in der Frohmatt!»

Darf man eine betagte Dame nach dem Beziehungsstatus fragen?
Frau Annekäthi: «Ich bin überzeugte Single-Dame. Ich habe meinen Spass, bin aber Single. Und Gilbert will mich immer mit Herrn Meier vom Zimmer 503 verkuppeln. Das wird aber nichts. »

Auch Annekäthis Schnitzelbank-Publikum weiss, dass sie eine sehr lebensfrohe Person ist ...
Frau Annekäthi: «ja – prüde bin ich nicht. Ich bin eine weltoffene Person. Meine Enkelin aber sagt schon, dass ich’s manchmal übertreibe. Gäll, Gilbert – manchmal schämst Du Dich auch etwas ...»

Gilbert: «Es ist auf jeden Fall besser, wenn man anklopft, bevor man Frau Annekäthis Zimmer betritt.»

Annekäthi ergänzt: «Geschämt hat er sich zum Beispiel letzten Sommer, als ich an einer Hochzeit war. Ich war zwar nicht eingeladen, aber ich habe es einfach gecrashed um wieder einmal unter jungen, schönen Menschen zu sein. Und dann habe ich dort meine Show durchgezogen und Geschichten über den Bräutigam ausgepackt, die ihm ein wenig peinlich waren. Aber die Gäste fanden es sehr lustig.»

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